Le déserteur
Boris VianTEDESCO / GERMAN / ALLEMAND [3] - Wolf Biermann | |
DER DESERTEUR Ihr sogenannten Herrn, ich schreibe Euch ein Schreiben, lest oder laßt es bleiben und habt mich alle gern. Ich kriege da, gebt acht, die Militärpapiere, damit ich einmarschiere und zwar vor Mittwoch Nacht. Ich sag' Euch ohne Trug: Ihr wollt doch nur schmarotzen, ich finde das zum Kotzen, die Welt hat jetzt genug. Ihr sogenannten Herrn, ich sage Euch ganz offen, die Wahl ist schon getroffen: Ich werde desertier'n. Seit ich auf Erden bin, sah ich manch Vater sterben, sah Brüder schnell verderben, sah weinen oft ein Kind; sah Mütter voller Gram, sie konnten nicht vergessen, daß andre vollgefressen, wohlauf und ohne Scham. Sah der Gefang'nen Leid; Man hat sie nur belogen, um ihre Frau'n betrogen, um ihre gute Zeit. Früh, wenn die Hähne krähn, dann schließ' ich meine Türe, will tote Jahre spüren und auf die Straße gehn. Dann geht es drauf und dran auf Welle, Wind und Wegen der neuen Welt entgegen, ich rufe jedermann: Lebt euer Leben aus, ringt Furcht und Elend nieder, schießt nicht auf eure Brüder in diesem Erdenhaus. Ihr sogenannten Herrn, müßt ihr denn Blut vergießen, so laßt das eure fließen, wir hätten das so gern. Sagt eurer Polizei, sie werden mich schon schaffen, denn ich bin ohne Waffen, zu schießen steht ihr frei. | DER DESERTEUR Monsieur le Président Ob Sie sich wohl bequemen Ob Sie die Zeit sich nehmen Und lesen meinen Brief: Mich hat's erwischt, ich hab' Die Musterungspapiere Ich muß in' Krieg marschieren Schon am Mittwoch geht es ab. Monsieur, ich geh' nicht hin Ich will nicht diese Merde, Ich leb' nicht auf der Erde Damit ich Mörder bin. Was alle Welt längst weiß - Sie solln es endlich wissen Monsieur, sie sind beschissen, Die Kriege sind ein Scheiß. Von klein auf sah ich das Sah Väter, die krepieren, Sah Brüder [*] losmarschieren Sah Kinder tränen naß Der Mütter Schmerz und Wut Sah andre fröhlich prassen Hurrah! und Hoch-die-Tassen! Ahoi! im Meer von Blut. Sah gute Kerls im Knast Gebrochen und verbogen Und ihre Fraun betrogen Um all ihr bißchen Glück. Bevor die Hähne krähn Verrammel' ich die Türen Ich will mein Leben spüren Und mach' mich auf den Weg. Und schnorr' mir meinen Fraß - so komm' ich durch ganz France Bretagne bis Provence Und alln erzähl' ich das: Sagt nein, wenn die euch ziehn! Sagt nein zum Exerzieren Sagt nein zum Kriegeführen Sagt nein, und geht nicht hin! Monsieur le Président Ihr seid fürs Blutvergießen? - Allez! laßt Eures fließen Das wär' 'ne gute Tat! Und steckt den Bulln Bescheid: Ich geh' erstmal alleine Und Waffen trag ich keine - mich knallt man lässig ab. [*] Var: "Söhne". |