Jeden Morgen gehe ich zirka acht Minuten lang,
Außer, wenn ich krank bin, von meiner Wohnung in meine Kanzlei.
Das ist schon seit Jahren so, ich bin nicht der einzige,
Für die meisten Leute geht das Leben so vorbei,
Ich grüße freundlich die Verkäuferin meiner Zeitung,
Sie hat es schwer heut seit jenem grausigen Prozeß.
Ihr Mann ist eingesperrt wegen so mancher Überschreitung,
Sie wurde freigesprochen, denn sie war nicht in der SS -
Obwohl sie wußte, was da vorging.
Und ich grüße ebenso den Friseurgehilfen Navratil,
Der auch in der SS war, oder war es die SA?
Einmal hat er angedeutet, während er mir die Haare schnitt,
was damals in Dachau mit dem Rosenblatt geschah,
Er war erst zwanzig, zwölf Jahre jünger als der Rosenblatt,
Jetzt ist er fünfzig und ein sehr brauchbarer Friseur.
,,Grüß Gott, Herr Hauptmann!'' - Der heißt nur Hauptmann,
Er war Oberst und hat in Frankreich einige zu Tode expediert,
Er ist noch immer Spediteur - es hat sich nichts geändert.
Drüben macht der Hammerschlag seinen Bücherladen auf,
Ich sehe ihn noch heut vor mir, er ist damals so gerannt
Und hat direkt vor seinem Buchgeschäft einen Scheiterhaufen aufgestellt,
Und hat darauf Thomas Mann und Lion Feuchtwanger verbrannt.
Und Erich Kästner und den Kafka und den Heine
Und viele andere, die jetzt sein Schaufenster verziern,
Und er verkauft sie mit einem Lächeln an der Leine,
Ja, er muß leben und seine Kinder wollen studieren.
Er hat ja selbst den Doktor.
,,Verehrung, Herr Professor! Wie geht's der Frau Gemahlin?''
,,Danke!'' - ,,Sie schauen blendend aus, wie bleiben Sie so jung?''
Das war Professor Töpfer, seinerzeit völkischer Beobachter,
Anthropologie und Rassenkunde. Jetzt ist er beim Funk.
,,Grüß Gott, Herr Neumann!'' - Der ist nix, der ist erst dreißig.
Was war sein Vater? Na ja, er war jedenfalls Soldat.
,,Habe die Ehre, Herr Direktor!'' - Der ist gute fünfundsechzig,
Also muß er was gewesen sein. Heute ist er Demokrat.
Das sind wir schließlich alle.
Drüben ist der Eichelberger, Gummibänderhosenträger.
Das hieß früher Blau und Söhne, Herrentrikotage.
Nebenan war das Café Winkelmann. Der Winkelmann ist noch zurückgekommen,
Dann ist er wieder weggefahren, jetzt ist dort eine Garage.
Da kommt die Schule, da bin ich selber hingegangen,
Mein Deutschprofessor verdient noch immer dort Gehalt.
Der schrie: ,,Heil ...'', na ja, das wird er heute nicht mehr schreien.
Was nur die Kinder bei dem lernen? Vielleicht vergessen sie es bald.
Ich kann es nicht vergessen.
So, jetzt bin ich endlich in meine Kanzlei gekommen,
Setz mich an den Schreibtisch und öffne einen Brief.
Doch bevor ich lesen kann, muß ich erst die Richtung ändern,
Blicke rasch zum Himmel auf und atme dreimal tief.
Außer, wenn ich krank bin, von meiner Wohnung in meine Kanzlei.
Das ist schon seit Jahren so, ich bin nicht der einzige,
Für die meisten Leute geht das Leben so vorbei,
Ich grüße freundlich die Verkäuferin meiner Zeitung,
Sie hat es schwer heut seit jenem grausigen Prozeß.
Ihr Mann ist eingesperrt wegen so mancher Überschreitung,
Sie wurde freigesprochen, denn sie war nicht in der SS -
Obwohl sie wußte, was da vorging.
Und ich grüße ebenso den Friseurgehilfen Navratil,
Der auch in der SS war, oder war es die SA?
Einmal hat er angedeutet, während er mir die Haare schnitt,
was damals in Dachau mit dem Rosenblatt geschah,
Er war erst zwanzig, zwölf Jahre jünger als der Rosenblatt,
Jetzt ist er fünfzig und ein sehr brauchbarer Friseur.
,,Grüß Gott, Herr Hauptmann!'' - Der heißt nur Hauptmann,
Er war Oberst und hat in Frankreich einige zu Tode expediert,
Er ist noch immer Spediteur - es hat sich nichts geändert.
Drüben macht der Hammerschlag seinen Bücherladen auf,
Ich sehe ihn noch heut vor mir, er ist damals so gerannt
Und hat direkt vor seinem Buchgeschäft einen Scheiterhaufen aufgestellt,
Und hat darauf Thomas Mann und Lion Feuchtwanger verbrannt.
Und Erich Kästner und den Kafka und den Heine
Und viele andere, die jetzt sein Schaufenster verziern,
Und er verkauft sie mit einem Lächeln an der Leine,
Ja, er muß leben und seine Kinder wollen studieren.
Er hat ja selbst den Doktor.
,,Verehrung, Herr Professor! Wie geht's der Frau Gemahlin?''
,,Danke!'' - ,,Sie schauen blendend aus, wie bleiben Sie so jung?''
Das war Professor Töpfer, seinerzeit völkischer Beobachter,
Anthropologie und Rassenkunde. Jetzt ist er beim Funk.
,,Grüß Gott, Herr Neumann!'' - Der ist nix, der ist erst dreißig.
Was war sein Vater? Na ja, er war jedenfalls Soldat.
,,Habe die Ehre, Herr Direktor!'' - Der ist gute fünfundsechzig,
Also muß er was gewesen sein. Heute ist er Demokrat.
Das sind wir schließlich alle.
Drüben ist der Eichelberger, Gummibänderhosenträger.
Das hieß früher Blau und Söhne, Herrentrikotage.
Nebenan war das Café Winkelmann. Der Winkelmann ist noch zurückgekommen,
Dann ist er wieder weggefahren, jetzt ist dort eine Garage.
Da kommt die Schule, da bin ich selber hingegangen,
Mein Deutschprofessor verdient noch immer dort Gehalt.
Der schrie: ,,Heil ...'', na ja, das wird er heute nicht mehr schreien.
Was nur die Kinder bei dem lernen? Vielleicht vergessen sie es bald.
Ich kann es nicht vergessen.
So, jetzt bin ich endlich in meine Kanzlei gekommen,
Setz mich an den Schreibtisch und öffne einen Brief.
Doch bevor ich lesen kann, muß ich erst die Richtung ändern,
Blicke rasch zum Himmel auf und atme dreimal tief.
inviata da Bernart Bartleby - 20/6/2018 - 10:43
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Parole e musica di Georg Kreisler (1922-2011), scrittore satirico e di cabaret e compositore viennese, statunitense d’adozione. Infatti la sua famiglia, di religione ebraica, fu costretta a fuggire dopo l’Anschluss hitleriano nel 1938.
Nel suo album intitolato “Everblacks Drei”, pubblicato nel 1980.
Testo trovato su georgkreisler.info
La famiglia di Georg Kreisler fuggì da Vienna nel 1938, l’anno dell’Anschluss hitleriano. Divenne cittadino americano nel 1943, si arruolò e combattè in Europa contro i nazisti. Nel dopoguerra la sua fortissima vena satirica non trovò consenso negli USA, fu considerata “anti-americana”, sicchè nel 1955 lui se ne tornò verso casa, vivendo tra Austria e Germania.
A 10 anni dalla fine della guerra e dell’orrore, con lo sguardo distaccato di chi era stato lontano per parecchio tempo, Georg Kreisler riusciva a giudicare meglio di tanti altri se la Germania avesse davvero fatto i conti col suo passato...