Die Gedanken sind frei
anonimo
Dal ciclo poetico “Des Knaben Wunderhorn” di Clemens Brentano ed ... | |
LIED DER FRIEDENSGEBETE IN NEUBRANDENBURG Ich denk´mir ein Haus aus Reimen und Noten, wo keinem der Aus- und Eintritt verboten. Die Türen steh´n offen für alle, die hoffen. Wer will komm´herbei, die Gedanken sind frei. Ich denk´mir ein Land mit tiefgrünen Wäldern, mit sauberem Strand und kornschweren Feldern, wo See, Fluss und Tümpel frei sind von Gerümpel, von Stickstoff und Blei, wo Gedanken sind frei. Ein Volk denk´ich mir, das nicht schon erblindet, beim Geldzählen hier nur Seligkeit findet, das Mut hat zum streiten, wo auch Minderheiten sich finden dabei und Gedanken sind frei. Ich denk´mir die Welt mit Tischen für jeden, ein freundliches Zelt zum Essen und Reden, kein Hunger, kein Schweigen, ein fröhlicher Reigen und Menschlichkeit sei, und Gedanken sind frei. Ich denk´mir ein Lied aus Güte und Klarheit, das, wo es geschieht, im Anspruch auf Wahrheit nicht hart und verbittert die Hirne vergittert, das ohne Geschrei die Gedanken lässt frei. | LIED DES VERFOLGTEN IM TURM [Der Gefangene] Die Gedanken sind frei, Wer kann sie erraten? Sie rauschen vorbei Wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, Kein Jäger sie schießen; Es bleibet dabei, Die Gedanken sind frei. [Das Mädchen] Im Sommer ist gut lustig sein Auf hohen wilden Heiden, Dort findet man grün Plätzelein, Mein herzverliebtes Schätzelein, Von dir mag ich nit scheiden. [Der Gefangene] Und sperrt man mich ein Im finstern Kerker, Dies alles sind nur Vergebliche Werke; Denn meine Gedanken Zerreißen die Schranken Und Mauern entzwei, Die Gedanken sind frei. [Das Mädchen] Im Sommer ist gut lustig sein Auf hohen wilden Bergen; Man ist da ewig ganz allein, Man hört da gar kein Kindergeschrei, Die Luft mag einem da werden. [Der Gefangene] So sei es, wie es will, Und wenn es sich schicket, [Nur alles in der Still]1; Und was mich erquicket, Mein Wunsch und Begehren Niemand kann's [mir]2 wehren; Es bleibet dabei, Die Gedanken sind frei. [Das Mädchen] Mein Schatz, du singst so fröhlich hier Wie's Vögelein in dem Grase; Ich steh so traurig bei Kerkertür, Wär ich doch tot, wär ich bei dir, Ach, muß ich denn immer klagen? [Der Gefangene] Und weil du so klagst, Der Lieb ich entsage, Und ist es gewagt, So kann mich nicht plagen! So kann ich im Herzen Stets lachen, bald scherzen; Es bleibet dabei, Die Gedanken sind frei. |