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Mensch ohne Pass

Max Werner Lenz
Lingua: Tedesco


Max Werner Lenz


Ich bin aus aller Ordnung ausgetrieben.
Sie nennen mich ein Emigrantenschwein.
Sie sagen, wärst du doch zu Haus geblieben!
Ich aber wollte ein Charakter sein.
Ich sagte „Guten Tag“ statt „Heil“ zu rufen.
Da hat man mir die Schutzhaft angedroht.
Doch ich bin nicht zum Märtyrer berufen!
Ich floh - aus einer Not in andre Not.

Jetzt bin ich ein unangemeldetes Leben,
Ich habe keinen Pass.
Ich stehe daneben und bleibe daneben -
Den Beamten ein ewiger Hass.

Die Staaten haben herrliche Devisen!
(nach Frankreich gewendet:)
Hier drüben „Freiheit, Gleichheit, Bruderschaft“,
(nach der Schweiz gewendet:)
Und dieses Land wird als Asyl gepriesen.
Doch mich erwartet hier und dort nur Haft.
So wie ich bin, so bin ich ungesetzlich.
Zwar schlägt man nicht, man ist zivilisiert.
Doch, bin ich körperlich auch unverletzlich,
Die Seele darf man foltern, ungeniert.

Denn ich bin ein unangemeldetes Leben,
Ich habe keinen Pass.
Ich stehe daneben und bleibe daneben -
Den Beamten ein ewiger Hass.

Doch jetzt gibts Kommissionen, wie ich höre,
Die kümmern sich um uns und meinens gut;
Denn sie beschliessen, dass ich nicht mehr störe.
Doch der Beschluss kommt in Beamten-Hut!
Und bis die Paragraphen sich ergänzen,
Brauchts lange Zeit - inzwischen gehts mir schlecht.
Man scheucht mich heimlich über fremde Grenzen.
Bis ich krepiere - durch Gesetz und Recht.

Dann bin ich ein unabgemeldetes Leben,
Und brauche keinen Pass.
Dann steh ich darüber und nicht mehr daneben,
Über den Grenzen und über dem Hass.



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