Children's Crusade, Op. 82 [Der Kinderkreuzzug]
Benjamin BrittenOriginale | La poesia originale di Bertolt Brecht (1942) |
CHILDREN'S CRUSADE, OP. 82 [DER KINDERKREUZZUG] In Poland, in nineteen thirty-nine, there was the bloodiest fight: turning ev’ry town and village into a wilderness of night. Young sisters had lost their brothers; young wives their men at war; in the blaze and the heaps of rubble children found their parents no more. Nothing has come out of Poland, letter or printed report; but in the East runs a story of the most curious sort. Snow fell as they told one another, there in an Eastern town, about a children’s crusade: deep in Poland, wand’ring round. Lost children were scuttling, hungry; in little formations were seen. There they gathered with others, standing where villages once had been. They wanted to fly from the fighting, let the nightmare cease; and one fine day they’d come upon a land where there was peace. They had their little leader, keeping them on the go, he had a terrible worry: the way he just did not know. A little Jew was found marching in step: he had a velvety collar, he was used to the whitest bread, and yet he showed much valour. Once two brothers joined the pack, tried strategic campaigning. When they stormed a peasant’s empty shack, they left it because it was raining. A thin, grey boy kept himself apart, he avoided provocation. He was marked by a fearful guilt: he came from the Nazi legation. And there was among them a drummer-boy, he found drum and drumsticks in a village shop that had been raided, the troop allowed no drumming: noise would have betrayed it. And there was a dog, they’d caught him to eat him; kept him on as an eater: that was the only way to treat him. They had their symphony, by a waterfall in the snow, our drummer-boy could use his drumsticks, since nobody could hear him. No! And then there was some loving. She was twelve, he was fifteen; there in a ruined cottage, she sat and combed his hair. But love it is not for ever not in the biting cold: for how’ can the saplings blossom with so much snow to hold? Then there was a war, war against some other children on the run; and the war just simply ended: sense it had none. And then there was a trial, on either side burned a candle. What an embarrassing affair! The judge condemned! What a scandal! Then there was a funeral, Velvet Collar it was whom they buried, the body by Polish and German bearers to burial was carried. Protestants and Catholics, and Nazis were there, to consign him to his mother earth. At the end they heard a little socialist talk with confidence of mankind’s rebirth. So there was faith, there was hope too, but no meat or bread. Had people who cuffed them for stealing offered them shelter instead! But none should rebuke the needy man who would not part with a slice: For fifty odd children you need flour, flour not sacrifice. They wandered steadily southward. South is there, where the sun stands high at midday for ev’ry-one. Once, to be sure, they found a soldier wounded, in pine-woods he lay. They tended him seven days, so that he could tell them the way. He spoke up clearly: “To Bilgoray!”. His fever made him rave. An eighth day he did not live to see: for him too they dug a grave. True, there was a signpost also: deep in the snow they found. In fact it had ceased to show the way: someone had turned it round. And when they hunted for Bilgoray, nowhere could they find it. They stood there, around their leader He looked at the snow-laden air, and made a sign with his little hand, and told them: “It must be there”. Where once the south-east of Poland was, in raging blizzard keen, there were our five-and-fifty last to be seen. Whenever I close my eyes I see them wander there from this old farmhouse destroyed by the war to another ruined house yonder. High above them, in the clouded sky I see others swarming, surging, many! There they wander, braving icy blizzards, homes and aims they haven’t any. Searching for a land where peace reigns, no more fire, no more thunder, nothing like the world they‘re leaving mighty crowds too great to number. In Poland that same January, they caught a dog half strangled: a cord was hung round his scraggy neck and from it a notice dangled. Saying this: please come and help us! Where we are we cannot say. We’re the five-and-fifty the dog knows the way. The writing was in a childish hand. Peasants had read it over. Since then more than a year has gone by. The dog starved: he didn’t recover. | DER KINDERKREUZZUG In Polen, im Jahr Neununddreißig War eine blutige Schlacht Die hatte viele Städte und Dörfer Zu einer Wildnis gemacht. Die Schwester verlor den Bruder Die Frau den Mann im Heer; Zwischen Feuer und Trümmerstätte Fand das Kind die Eltern nicht mehr. Aus Polen ist nichts mehr gekommen Nicht Brief noch Zeitungsbericht. Doch in den östlichen Ländern Läuft eine seltsame Geschicht. Schnee fiel, als man sich's erzählte In einer östlichen Stadt Von einem Kinderkreuzzug Der in Polen begonnen hat. Da trippelten Kinder hungernd In Trüpplein hinab die Chausseen Und nahmen mit sich andere, die In zerschossenen Dörfern stehn. Sie wollten entrinnen den Schlachten Dem ganzen Nachtmahr Und eines Tages kommen In ein Land, wo Frieden war. Da war ein kleiner Führer Das hat sie aufgericht'. Er hatte eine große Sorge: Den Weg, den wußte er nicht. Eine Elfjährige schleppte Ein Kind von vier Jahr Hatte alles für eine Mutter Nur nicht ein Land, wo Frieden war. Ein kleiner Jude marschierte im Trupp Mit einem samtenen Kragen Der war das weißeste Brot gewohnt Und hat sich gut geschlagen. Und ging ein dünner Grauer mit Hielt sich abseits in der Landschaft. Er trug an einer schrecklichen Schuld: Er kam aus einer Nazigesandtschaft. Und da war ein Hund Gefangen zum Schlachten Mitgenommen als Esser Weils sie's nicht übers Herz brachten. Da war eine Schule Und ein kleiner Lehrer für Kalligraphie. Und ein Schüler an einer zerschossenen Tankwand Lernte schreiben bis zu Frie... Da war auch eine Liebe. Sie war zwölf, er war fünfzehn Jahr. In einem zerschossenen Hofe Kämmte sie ihm sein Haar. Die Liebe konnte nicht bestehen Es kam zu große Kält: Wie sollen die Bäumchen blühen Wenn so viel Schnee drauf fällt? Da war auch ein Begräbnis Eines Jungen mit samtenen Kragen Der wurde von zwei Deutschen Und zwei Polen zu Grab getragen. Protestant, Katholik und Nazi war da Ihn der Erde einzuhändigen. Und zum Schluß sprach ein kleiner Kommunist Von der Zukunft der Lebendigen. So gab es Glaube und Hoffnung Nur nicht Fleisch und Brot. Und keiner schelt sie mir, wenn sie was stahl'n Der ihnen nicht Obdach bot. Und keiner schelt mir den armen Mann Der sie nicht zu Tische lud: Für ein halbes Hundert, da braucht es Mehl, nicht Opfermut. Sie zogen vornehmlich nach Süden. Süden ist, wo die Sonn Mittags um zwölf steht Gradaus davon. Sie fanden zwar einen Soldaten Verwundet im Tannengries Sie pflegten ihn sieben Tage Damit er den Weg ihnen wies. Er sagte ihnen: Nach Bilgoray! Muß stark gefiebert haben Und starb ihnen weg am achten Tag. Sie haben auch ihn begraben. Und da gab es ja Wegweiser Wenn auch vom Schnee verweht Nur zeigten sie nicht mehr die Richtung an Sondern waren umgedreht. Das war nicht etwa ein schlechter Spaß Sondern aus militärischen Gründen. Und als sie suchten nach Bilgoray Konnten sie es nicht finden. Sie standen um ihren Führer. Der sah in die Schneeluft hinein Und deutete mit der kleinen Hand Und sagte: Es muß dort sein. Einmal, nachts, sahen sie ein Feuer Da gingen sie nicht hin. Einmal rollten drei Tanks vorbei Da waren Menschen drin. Einmal kamen sie an eine Stadt Da machten sie einen Bogen. Bis sie daran vorüber waren Sind sie nur nachts weitergezogen. Wo einst das südöstliche Polen war Bei starkem Schneewehen Hat man die fünfundfünfzig Zuletzt gesehn. Wenn ich die Augen schließe Seh ich sie wandern Von einem zerschossenen Bauerngehöft Zu einem zerschossenen andern. Über ihnen, in den Wolken oben Seh ich andre Züge, neue, große! Mühsam wandernd gegen kalte Winde Heimatlose, Richtungslose Suchend nach dem Land mit Frieden Ohne Donner, ohne Feuer Nicht wie das, aus dem sie kamen Und der Zug wird ungeheuer. Und er scheint mir durch den Dämmer Bald schon gar nicht mehr derselbe: Andere Gesichtlein seh ich Spanische, französische, gelbe! In Polen, in jenem Januar Wurde ein Hund gefangen Der hatte um seinen mageren Hals Eine Tafel aus Pappe hangen. Darauf stand: Bitte um Hilfe! Wir wissen den Weg nicht mehr. Wir sind fünfundfünfzig Der Hund führt euch her. Wenn ihr nicht kommen könnt Jagt ihn weg Schießt nicht auf ihn Nur er weiß den Fleck. Die Schrift war eine Kinderhand. Bauern haben sie gelesen. Seitdem sind eineinhalb Jahre um. Der Hund ist verhungert gewesen. |